Denn anders als z.B. ein Aufzug können Pflanzen nicht so einfach „kaputt gehen“. Der nachfolgende Expertenkommentar von DI Vera Enzi, Geschäftsführerin des Innovationslabors GRÜNSTATTGRAU, gibt einen Überblick zu grundsätzlichen Fakten über Pflanzen und lebende Wände.

 

Nach 10 Jahren Pilotprojekt und einem äußerst erfolgreichen Betrieb kam es im August 2019 zum ersten Mal zu einer gravierenden Unterversorgung mit Wasser der Pflanzen in einer Hitzeperiode. Eine Kombination verschiedener unglücklicher Faktoren sind zusammengetroffen, allerdings führt dies nicht dazu, dass die „Pflanzen kaputt sind“. Die Unterversorgung wurde im Rahmen der Möglichkeiten bereits bereinigt. Das Trägersystem an sich, die Behältnisse mit Anstaufunktion, die Bewässerung, das Substrat und die Monitoringdatengenerierung sind nach wie vor vollkommen intakt.

Die Pflanzen sehen vertrocknet aus und es riecht wie in einer Teestube
Bei gravierender Unterversorgung mit Wasser stellen Pflanzen ihre überirdischen Teile ruhend und konzentrieren sich auf die Wurzel. Das bedeutet nicht, dass die Pflanze abstirbt. Im vorliegenden Fall ist zusätzlich zu den sichtbaren Pflanzen im Substrat auch ein großes Samenpotenzial über die letzten Jahre gespeichert worden. Gerade das System der MA 48-Fassade hat für Notfälle vorgesorgt, denn es wurde auf trockenheitsresistente Arten gesetzt. Wenn etwas „kaputt“ aussieht, bedeutet das lange noch nicht, dass es nicht mehr funktional ist und kein Regenerationspotenzial hat. Pflanzen reagieren anders als eine maschinelle Technologie.

Wir müssen lernen Natur zu verstehen und uns an den Klimawandel anzupassen
Über die vergangenen Jahre hat sich das Vegetationsbild an der Fassade der MA 48 immer wieder verändert. Neue Arten sind hinzugekommen, manche haben sogar ihren Standort durch Samenverbreitung angepasst. Je nach Temperaturen im Winter zieht ein Teil der Pflanzen auch ihre Blätter ein, verbraunt oder wirft diese ab – wie auch das Gras zu ebener Erde oder Bäume. Je nach Jahreszeit blühen unterschiedliche Arten und setzen das Gebäude der MA 48 immer wieder mit spannenden Naturbildern in Szene. Einmal im Jahr, im Frühling, wird die Fassade gepflegt und mit einem radikal anmutenden Rückschnitt eingekürzt. Dieser wirkt verjüngend. Warum die WienerInnen sich trotzdem immer wieder Gedanken darüber machen ob die Fassade kaputt ist? Oft haben wir in den vergangenen 10 Jahren diesbezügliche Kommentare vernommen. Es wird Zeit, dass wir gemeinsam in Zeiten des Klimawandels in die Natur vertrauen.

Pflanzen als Überlebenskünstler gehen gestärkt aus Notsituationen heraus!
In den kommenden Herbstmonaten wird sich ein großer Teil der Pflanzen wieder von selbst erholen. Wir werden es gemeinsam erleben. Ein vorgezogener Rückschnitt wird den schlafenden Samen Licht und somit Keimung und Neuaustrieb ermöglichen, mit ein wenig zusätzlichem Saatgut kann man diesen Prozess sogar noch beschleunigen. Aus vegetationstechnischer Sicht ist diese Verjüngungskur sogar eine Stärkung des Ökosystems. Das Ökosystem der MA 48 wird sich demnach mit etwas Zeit im kommenden Frühling zu seiner vollen Pracht entwickeln können.

Medienreaktionen dementsprechend anpassen
Fassadenbegrünungen erbringen für den urbanen Klimahaushalt und für das Gebäude selbst eine Vielzahl von Leistungen, die in Zeiten der Klimawandelanpassung auch eine attraktive energetische Ausgleichsmaßnahme darstellen und zur Lebensqualität beitragen. Außerdem benötigen sie wenig Platz und ermöglichen so Begrünung wo sonst keine sinnvollen alternativen Maßnahmen möglich wären. Lassen Sie sich daher nicht entmutigen, gehen Sie es an! Wir bitten alle JournalistInnen, dieses Ereignis als internationales Beispiel für eine Anpassung an den Klimawandel zu verstehen und Pflanzen mit den richtigen Worten zu beschreiben, denn die Regenerationsfähigkeit von Pflanzen geht im Gegensatz zu einer Maschine nicht „kaputt“.

 

Vieles mehr zu Fassaden- und Dachbegrünungen und den Aktivitäten des Innovationslabors findet man unter www.gruenstattgrau.at