August 2023

Die ÖGLA | Österreichische Gesellschaft für Landschaftsarchitektur ist die unabhängige und nicht-gesetzliche Berufs- und Interessensvertretung aller in Österreich tätigen Landschaftsarchitekt*innen. Als solche erlauben wir uns, zur Bauordnungsnovelle 2023 der Bauordnung für Wien, dem Wiener Kleingartengesetz 1996 und dem Wiener Garagengesetz 2008 wie folgt Stellung zu nehmen:

Es ist positiv zu werten, dass die geplante Novelle der Wiener Bauordnung Neuerungen beinhaltet, die zum Schutz des bestehenden Grüns und zur künftig umfassenderen und hochwertigeren Begrünung des Stadtraumes Wiens beitragen können und die Umsetzung strategischer Leitkonzepte der Stadt Wien (etwa des Grün- und Freiraumkonzepts, des Klimafahrplans u.a.) unterstützen. Jedoch sehen wir in folgenden Bereichen Bedarf für Nachbesserungen:

16. § 3 (1) (Entwurf, S. 3)
Landschaftsarchitektur ist die national und international gebräuchliche Berufsbezeichnung aller landschaftsplanenden und -gestaltenden Berufsgruppen. Der Bereich „Landschaftsplanung“ ist daher durch die Bezeichnung „Landschaftsarchitektur“ oder zumindest „Landschaftsarchitektur und -planung“ zu ersetzen.

16. § 3 (2a) (Entwurf, S. 3)
Die Liste der erstattenden Einrichtungen sollte durch die nicht-gesetzliche Berufsvertretung aller in Österreich tätigen Landschaftsarchitekt*innen (ÖGLA) erweitert werden. Zumindest aber sollten die vorgeschlagenen Fachleute für den Fachbereich Landschaftsplanung und -architektur durch die Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Punkt c) in enger Abstimmung mit der ÖGLA erfolgen, um einen befugnisübergreifenden Dreiervorschlag zu ermöglichen.

20. § 5 Abs. 4 (Entwurf, S. 4)
Wie ersuchen den eingefügten Halbsatz „sowie die Anordnung der Erdüberdeckung von unterirdischen Bauteilen“ durch „sowie die Anordnung der Substratüberdeckung von unterirdischen Bauteilen“ zu ersetzen, um eine entsprechende Qualität in der Ausführung dieser Vorgabe sicherzustellen. Dieser Terminus technicus ist ebenso in § 63 (5) anzuwenden.

29. § 7c (7) (Entwurf, S. 5)
Zum Schutz der Freiräume wäre eine weitere Reduzierung der Freiraumparkplätze vorzusehen. Aus Sicht der ÖGLA liegt ein sinnvolles Maß bei 15% der Stellplätze des Einkaufszentrums. Weiters wäre ein Zusatz einzufügen, der Ausgleichsmaßnahmen (ökologische Aufwertungsmaßnahmen oder Begrünungsmaßnahmen) auf dem Bauplatz bzw im nächsten öffentlichen Umfeld einfordert, sollte das Maximalmaß nicht eingehalten werden können. Wir weisen darauf hin, dass wirtschaftliche Verhinderungsgründe aus unserer Sicht üblicherweise kein ausschlaggebender Verhinderungsgrund für Einkaufszentrumsbetreiber sind und daher nicht vorrangig berücksichtigt werden sollten.

45. § 62a Abs 1 Z 14 (Entwurf, S. 7)
Die Einfügung zu Pergolen sowie Rankgerüste für Kletterpflanzen auf Gebäuden außerhalb von Schutzzonen;“ ist unpräzise und kann zur Umsetzung baulicher Maßnahmen ohne fachliche Begleitung führen. Die genannten Rankgerüste sind daher in ihrer baulichen Ausführung und Höhe zu beschränken (keine technischen Systeme!). Vorhaben die über dieses Maß hinausgehen, sind mittels Bauanzeige zur Kenntnis zu bringen und befugte Fachplaner*innen sind verpflichtend für die Planung, Ausführung und Pflege beizuziehen. Letzteres siehe auch: 51. In § 62a Z. 37, Entwurf S. 8 „die für die Begrünung von Fassaden notwendigen technischen Systeme im Bereich der ersten drei oberirdischen Geschoße von Gebäuden außerhalb von Schutzzonen; über Baulinien oder Straßenfluchtlinien nur in dem in § 83 Abs. 1 lit. e genannten Ausmaß.“

61. § 67 (1) (Entwurf, S. 9)
Die Beiziehung von Architektinnen und Architekten in begründeten Fällen sollte auf das Fachgebiet Landschaftsarchitektur erweitert werden. Somit wäre der Wortlaut wie folgt zu ergänzen: „In begründeten Fällen kann er zu diesem Zweck bis zu zwei weitere Architektinnen oder Architekten beziehungsweise Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten beiziehen.“

83. § 81 (6a) und 85. § 82a (Entwurf, S. 12)
Wir möchten darauf hinweisen, dass es zwischen den Maßnahmen zur Energiewende und den Bemühungen zum Schutz und zum Ausbau der städtischen Grünstrukturen zu keinen Schutzgutkonflikten kommen darf. Technische Infrastrukturen von hocheffizienten alternativen Systemen sind daher unbedingt und bevorzugt auf bereits versiegelten Flächen oder Dachflächen unterzubringen und keinesfalls in ökologisch oder klimatisch wirksamen Grünflächen vorzusehen. Insbesondere sollten wirtschaftliche Gründe die Vorortung solcher Infrastrukturen im Grünraum nicht rechtfertigen. Des Weiteren schlagen wir die Präzisierung der an mehreren Stellen angeführten „hocheffizienten alternativen Systemen“ vor. 

Weiters fordern wir die Aufnahme folgender Ergänzung: Müssen technische Infrastrukturen und Nebengebäude für hocheffiziente alternative Systeme dennoch in Frei- und Grünräumen verortet werden, sind mikroklimatische und vegetative Ausgleichsmaßnahmen in der nächsten Umgebung, auf dem Bauplatz oder im öffentlichen Raum zu setzen (Gebäudebegrünung, Baumpflanzungen, Biodiversitätsmaßnahmen etc).


93. § 81 (6a) und 85. § 82a (Entwurf, S. 12)
Das Versickern von Niederschlagswässern und ihre Zuführung in den natürlichen Wasserkreislauf ist aus Sicht der ÖGLA sinnvoll. Die Novelle bietet die Möglichkeit, die wichtige Versorgung von Bäumen mit Niederschlagswässern zu priorisieren. Davon könnten nicht nur Bäume auf dem betroffenen Grundstück, sondern vorallem auch Straßenbäume und Gehölze im angrenzenden Straßenraum profitieren, die auf Regenwasser angewiesen sind. An dieser Stelle der Wiener Bauordnung wäre daher die Option zur Einleitung von Dachwässern in Schwammstadtbereiche im öffentlichen Gut durch einen entsprechenden Textzusatz zu ermöglichen.

104. § 119a (Entwurf, S. 17)
Der Witterungsschutz von Fahrradabstellplätzen im Freien, insbesondere bei größerem Umfang der Anlage, kann räumliche und gestalterische Barrierewirkungen aufweisen. Wir empfehlen daher die Einfügung eines Passus, dass Fahrradabstellplätze im Freien nicht zur Gänze witterungsgeschützt bzw überdacht werden müssen (etwa nur im Ausmaß von 50% der Abstellplätze). Bei 100%iger Überdachung der Fahrradabstellplätze wäre die Überdachung funktional zu erweitern (Solardach zur Energiegewinnung für E-Rad-Ladevorrichtungen, Begrünungen etc).

Die Ausnahmeregelung, dass von der verpflichtenden Errichtung von Fahrradabstellplätzen aus wirtschaftlicher Unzumutbarkeit abzusehen ist, wird von der ÖGLA kritisch gesehen, da fehlende Abstellplätze die Nutzung alternativer Mobilität erschweren, was zu weitläufigen negativen Folgeeffekten führen kann.

Anmerkungen zu Artikel III Änderung des Wiener Garagengesetzes (WGarG 2008):

7. § 4 (Entwurf, S. 23)
Jegliche Anlagen auf gärtnerisch auszugestaltenden Teilen der Liegenschaft laut Ausnahmeregelungen sollten mit Ausgleichsmaßnahmen (Begrünungsmaßnahmen im Außenraum etwa Baumpflanzungen, ökologische Aufwertungsmaßnahmen, Gebäudebegrünungen etc.) auf der Liegenschaft bzw im nächstgelegenen öffentlichen Raum einhergehen. Weiters ist das Einfordern von zweckgebundenen Abschlagszahlungen in Betracht zu ziehen, mit denen Begrünungsmaßnehmen oder ökologische Aufwertungsmaßnahmen im Grätzl finanziert werden können.

9. § 4 (nach Abs. 6) (Entwurf, S. 23)
Aus Sicht der ÖGLA ist ein Stammumfang von zumindest 35 cm in verschulter Qualität begrüßenswert. Als verpflichtende Vorgabe sehen wir jedoch wesentlicher, ein durchwurzelbares Mindestvolumen von 35 m³ für jeden Baum vorzuschreiben, wobei bei Erfüllung dieser Grundlage eine Baumqualität mit STU 20-25 cm ausreicht, da der erweiterte Wurzelbereich ein gesundes Wachstum ermöglicht und dadurch die Anwuchsphase weniger kritisch gesehen wird.

Strategische Instrumente für eine nachhaltige Entwicklung Wiens
Die Implementierung von Grünstrukturen in Bauvorhaben sowie die Aufwertung von Bestandsstrukturen erfordert in den nächsten Jahren besondere Aufmerksamkeit. Zur Anpassung an den Klimawandel, dem Entgegenwirken des Artensterbens und zur Erhaltung der hohen Lebensqualität im Stadtraum Wien, wird es eine Beschleunigung der „grünen Wende“ bedürfen. Neben den oben angeführten konkreten Bezugnahmen auf einzelne Paragraphen der vorliegenden Bauordnungsnovelle, möchten wir aus Sicht der Landschaftsarchitektur daher im Weiteren folgende neue Instrumente der Stadtplanung ins Gespräch bringen, deren Einführung aus unserer Sicht einen großen Hebel mit sich bringen würde und deren Aufnahme in die Bauordnung aus fachlicher Sicht dringend diskutiert werden sollte:

  • Einführung eines Wiener Grünflächenfaktors, der einen bestimmten Anteil an Grünstrukturen oder -flächen für jedes Bauvorhaben festlegt
  • Einführung einer Grünraumverordnung, die bei Neu- und Zubauten eine verpflichtende Grünraumschaffung (unversiegelte Grünfläche) am Grundstück vorsieht
  • Einführung von zweckgebundenen Abschlagszahlungen zur Finanzierung neuer und zur Aufwertung bestehender Grünstrukturen im angrenzenden bzw umliegenden öffentlichen Raum
  • Richtlinien zu Ausgleichsmaßnahmen (Was sind ökologisch und klimatologisch wertvolle Maßnahmen, Wertigkeiten etc)

  • Einführung einer neuen Widmungsart „Öffentlicher Raum (ÖR)“ im Straßen- bzw Verkehrsraum (öffentliches Gut), die mit Qualitäten abseits der StVO verknüpft wird
  • Einführung von Freihaltezonen auf Bauplätzen und Straßen, etwa in Form von mindestens 250 cm breiten Freiraumbändern, zur Verfolgung des Ziels einer durchlässigen Stadt mit hochwertigen grün-blauen-Infrastrukturen und Möglichkeiten alternativer Mobilitätssysteme
  • Unterstützung der Umsetzung von Solargründächern mit erhöhtem Substrataufbau und der Möglichkeit intensiverer Bepflanzungen
  • Unterstützung der Sammlung und Nutzung von Grauwasser durch entsprechende Vorgaben in der Bauordnung