Die österreichischen Landschaften haben einen unschätzbaren gesellschaftlichen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Wert. Dieser Wert ist zunehmend bedroht. Deshalb braucht es ein klares politisches Bekenntnis, ein nationales Ziel, unsere Landschaften als multifunktionale Räume, die für alle bedeutsam sind, zu schützen und nachhaltig zu entwickeln. Das nachfolgende Positionspapier wurde von der ÖGLA und dem Umweltdachverband kooperativ erarbeitet. Im Juni 2020 wurde das Dokument beschlossen und wird somit von allen Mitgliedsorganisationen mitgetragen.
Angesichts der vielen Ansprüche an die Landschaft gilt es, ökologische Freiräume zu erhalten und ein funktionsfähiges Netz aus Lebensräumen zu sichern. Es geht darum, ökologische Funktionen und Systemleistungen, das „ökologische Kapital“, nicht zu schmälern. Generell ist eine natur- und umwelt verträgliche, zukunftsfähige Lebens- und Wirtschaftsweise zu entwickeln, die den Schutz von Flora und Fauna sowie insbesondere seltener Natur- und Landschaftsräume und die Erhaltung der Biodiversität integrierend umfasst. Dem Schutz der Natur ist Priorität bei der Abwägung raumrelevanter Entscheidungen einzuräumen.
Österreichs Landschaft ist wichtig! Sie ist mit ihrer biologischen Vielfalt unser aller Lebensgrundlage. Als flächenmäßig kleines Land ist Österreich gefordert, mit der Kulturlandschaft und den verbliebenen naturnahen Ökosystemen besonders sorgsam umzugehen. Land- und Forstwirtschaft, Zersiedlung, Bevölkerungswachstum, touristische Nutzung, Industrialisierung, Gewinnung von Rohstoffen und Energie und steigender Lebensstandard zehren direkt oder indirekt an diesem Gut. Die Eigenversorgung Österreichs mit Lebensmitteln ist nicht mehr gegeben. Durch den Klimawandel wird diese Situation noch verschärft werden. Österreichs Fläche ist begrenzt, ist nicht vermehrbar. Es gilt also, viele Funktionen zu ermöglichen und vielfältige Ansprüche zu regeln. Dies gilt besonders für Nutzungsformen mit hohem Flächenanspruch wie die Land- und Forstwirtschaft, deren Möglichkeiten zum Ausbau ihres Beitrags zur Biodiversität gestärkt werden sollen. Für diese und andere Nutzungen wie Energiegewinnung und Verkehr sind höchste Maßstäbe der Schonung und des Ausgleichs anzuwenden.
THESE 1 Österreich ist fertig gebaut!
Der Verlust an Natur, Grünland-/ Ackerland hat eine kritische Marke erreicht. Wir brauchen definierte Grenzen für den Bodenverbrauch und dauerhafte Siedlungsgrenzen. Zielsetzung muss sein, bis zum Jahr 2030 einen Netto-null-Flächenverbrauch zu erreichen. Die Umwidmung von Grünland in Bauland muss zur gut begründeten Ausnahme mit Alternativenprüfung und Ausgleichsmaßnahmen werden. Dadurch wird der Verbrauch wertvoller Böden dauerhaft gesenkt und durch Ausgleichsmaßnahmen wird auch Rückbau und Rückgewinnung möglich. Das Netto-null-Ziel ist verbindlich zwischen Bund und Ländern in einem Artikel 15a-Staatsvertrag festzulegen.
Wohnraumverdichtung statt Grünraumvernichtung: Dieses Motto erfordert verdichtete bauliche Strukturen, gleichzeitig benötigen Siedlungsräume ein ausreichend großes und stabiles Netz von frei zugänglichen Grünflächen.
Es gilt im Grünraum Verinselung zu vermeiden und Naturräume zu vernetzen. Letzte zusammenhängende Naturlandschaften müssen frei bleiben von technischen Veränderungen. Lebensraum-Korridore und potenzielle Verbindungsachsen müssen von Intensivbewirtschaftung, Siedlung und Verkehrsinfrastruktur freigehalten oder überhaupt erst neu geschaffen werden.
THESE 2 Verpflichtende Planungsinstrumente für den Grünraum!
Basis für nachhaltige Raumplanung ist ein Grünraumplan für jede Gemeinde in Form kommunaler Landschaftspläne, in dem wichtige Gesichtspunkte verpflichtend zu berücksichtigen sind (zumindest Siedlungsgrenzen, ökologisch wertvolle Flächen, charakteristische Landschaften, wichtige Naherholungsräume, wertvolle Böden hinsichtlich Ernährungssicherheit).
Dieses Instrument ist bereits in manchen Bundesländern in Anwendung (z. B. Lokaler Grünplan/ Wien, Landschaftskonzept/ Niederösterreich), es gilt jedoch eine Rechtswirksamkeit sicher zu stellen.
Als fachliche Grundlage auf Landesebene ist eine naturräumliche Gliederung des Bundeslandes zu erstellen, aufgrund derer Landschaftsleitbilder inklusive Zielbestimmungen und Prioritäten erarbeitet werden. Diese beinhalten charakteristische Landschaftsräume, Mindestausstattung an für die Region charakteristischen agrarischen Strukturen, standortpassende Biodiversitäts- und Landschaftsziele als übergeordnete Hilfestellung für die Raumplanung (z. B. NaLa/ Oberösterreich). Nicht nur der Status quo, sondern ganz besonders auch die ökologischen Potentiale sind dabei zu erfassen.
THESE 3 Die Natur hat keinen Spielraum mehr, naturnahe Lebensräume brauchen Schutz!
Biodiverse und vielfältige Landschaftsräume für Menschen, Tiere und Pflanzen sind das Ziel. Flächendeckende Naturschutzpläne müssen entwickelt, Naturschutzvorgaben müssen eingehalten werden, bedrohte Lebensräume erhalten bleiben – in Schutzgebieten, im Siedlungsraum und in der Kulturlandschaft. Hier braucht es effektivere Rechtsgrundlagen, Kompetenz, ausreichend Ressourcen, ein effizientes Gebietsmanagement und unabhängige Kontrollinstanzen.
THESE 4 Die Erschließungsgrenzen sind erreicht!
Wir brauchen ein Bekenntnis zum umfassenden Landschaftserhalt! Die Grenzen des (Aus-)Baus der technischen Infrastruktur (z. B. Straßen, Skigebiete) sind erreicht und für die Zukunft verbindlich festzulegen. Ein verbindlicher Klimacheck für Infrastrukturprojekte ist verpflichtend vorzusehen. Die weitere touristische Erschließung des Alpenraums mit technischer Infrastruktur ist zu beenden. Die ursprünglichen, naturnahen und wenig erschlossenen Natur- und Kulturlandschaften sollten in Inventaren (z. B. Vorarlberger Inventar Weißzone) erfasst werden und als Grundlage für die Ausweisung von Ruhezonen dienen. Der Schwerpunkt der verkehrstechnischen Erschließung liegt in Zukunft auf der Schiene.
THESE 5 Landschaft ist nicht erneuerbar!
Auch die Landschaft ist nicht erneuerbar. Die Energiewende darf nicht auf Kosten von Natur und Landschaft gehen. Es sind jene Erneuerbaren – insbesondere die Photovoltaik – verstärkt zu fördern, die wenig Auswirkungen auf Natur und Landschaft mit sich bringen. Für Photovoltaik hat Österreich enorme Potenziale auf Dachflächen und Fassaden, in den verbauten Gebieten, auf bereits versiegelten Flächen sowie zum Beispiel auf Deponien und Randflächen von Verkehrsanlagen. Wo sie noch nicht erfolgt ist, ist Zonierung für Windkraft notwendig, ebenso die Effizienzsteigerung und Revitalisierung statt Neubau von Wasserkraftwerken (naturbelassene und hochwertige Fließstrecken müssen tabu bleiben). Lebensmittel dürfen nicht verstromt werden. Eine naturverträgliche Energiewende setzt Energieeffizienz voraus: In erster Linie muss der Energieverbrauch deutlich reduziert, der Bruttoinlandsverbrauch jedenfalls halbiert, werden, um bei einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energieträgern dennoch Natur und Landschaft in ihrer Qualität erhalten zu können. Dezentrale Versorgungsmodelle (Prosumer) z. B. mit Strom aus Photovoltaik sind finanziell und rechtlich (Bauordnungen!) zu fördern.
THESE 6 Unsere Zukunft baut auf dem Erbe vergangener Generationen auf!
Aufgrund des besonderen alpinen Charakters Österreichs gilt es, die traditionelle bäuerliche, alpine Kulturlandschaft und Wirtschaftsweise zu erhalten und zu stärken. Es braucht aber auch Platz für Wildnis und Wildtiere. Ebenso zum Erbe vergangener Generationen gehören die Welterbestätten, Gartendenkmäler und historisch bedeutsame Landschaftsräume wie die Wachau, das Salzkammergut oder der Park Schönbrunn, denen höchstes Augenmerk zuzuwenden ist.
THESE 7 Österreich versorgt sich bestmöglich selbst!
Landwirtschaftliche Produktionsflächen sollen soweit möglich die Selbstversorgung und Krisensicherheit gewährleisten und zwar vornehmlich mit nachhaltig produzierten Produkten. Dafür müssen die Böden vor Versiegelung und negativen Beeinträchtigungen geschützt werden. Dazu muss insbesondere die biologische Landwirtschaft weiter ausgebaut und innerhalb dieser auch die Biodiversität gestärkt werden. Der vollständige Umstieg auf biologische Landwirtschaft und der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide sind einzuleiten und konsequent zu verfolgen. Der Verkauf regionaler und lokaler Bioprodukte ist zu unterstützen. Bodenbilanzen auf Gemeinde- und Landesebene sind zu erstellen und gelten als wesentlicher Maßstab für die Raumordnung. Methoden für Ausgleichsmaßnahmen für Bodenverbrauch sind zu entwickeln. Die Bodenbilanzen sind nach einheitlichen Maßstäben zu erstellen, um Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern herzustellen und auch internationale Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
THESE 8 Österreichs Landschaft gehört uns allen!
Österreichs Naturlandschaften, Berge, Seen und Wälder müssen grundsätzlich frei begehbar bleiben. Auch Wohngebiete sollten für Fußgänger und Radfahrer durchgängig sein und genug öffentlicher Raum für alle verfügbar bleiben. Die Zugänglichkeit der Seen für die Allgemeinheit im Rahmen der Möglichkeiten der öffentlichen Hand ist in den nächsten Jahren zu verbessern.
THESE 9 Österreichs Wasser ist in Gefahr, schützen wir es!
Die immer häufigeren Starkregen stellen nicht nur eine Überschwemmungsgefahr für Siedlungen, sondern auch eine Bedrohung für das Grundwasser und den Wasserhaushalt insgesamt dar. Ziel muss es sein, das Wasser (wieder) länger in der Landschaft zu halten. Die Versickerung von Dachabwässern in Siedlungsgebieten verdient besonderes Augenmerk. Es ist eine öffentliche Aufgabe, die Wasserversorgung in Qualität und Quantität flächendeckend zu erhalten. Der Trinkwassernutzung ist gesetzlich Vorrang vor jedweder wirtschaftlicher Nutzung einzuräumen. Kleinräumige Wasserkreisläufe sind zu erhalten und in den Städten neu aufzubauen (z. B. Prinzip „Schwammstadt“).
THESE 10 Die Grundlage des österreichischen Tourismus ist eine attraktive Landschaft!
Attraktive Landschaft und Naturraum sind nicht selbstverständlich. Um deren Qualität auch weiterhin zu erhalten, muss die Tourismuswirtschaft mehr Verantwortung für die Pflege der Landschaft und die Sicherung der Naturräume übernehmen. Hier benötigt es neue Strategien des Ausgleichs für Landschaftspflege und Naturraumsicherung. Dazu gehören neben Finanzierungsinstrumenten durch die Tourismuswirtschaft auch Lösungen für die Anreise (öffentlicher Verkehr!), Ganzjahresangebote, Reduktion und Rückbau veralteter Anlagen und die Festlegung von Erschließungsgrenzen.
THESE 11 Klimaschutz- und Klimawandelanpassung!
Die österreichische Landschaft ist von zentraler Bedeutung für die Klimawandelanpassung in den Regionen. Klimaschutz durch Reduktion von Treibhausgasen gewinnt an Bedeutung, von der Land- und Forstwirtschaft bis zur Bekämpfung von Gletscherschwund und „Naturgefahren“ im hochalpinen Raum. Der Klimaschutz im Sinne von CO2 Reduktion spielt auch in der Land- und Forstwirtschaft eine immer größere Rolle. Gleichzeitig ist die österreichische Landschaft von Klimaveränderungen betroffen. Für die Zukunft sind Großgrünräume mit einem naturnahen Wasserhaushalt von zentraler Bedeutung. Im Licht des Klimawandels ist der Schutz vor Naturgefahren gerade im Alpenraum immer wichtiger und muss laufend unter bestmöglicher Ausnützung der natürlichen Gegebenheiten und nicht nur durch technische Maßnahmen verbessert werden. Neben vitalen Schutzwäldern braucht es Breitwasser statt Hochwasser: Wasser muss in der Landschaft gehalten werden.
THESE 12 Österreich plant koordiniert!
Bund, Land und Gemeinden haben jeweils eigene Planungsaufgaben. Diese Aufgaben sind in einer Qualitätsoffensive zu überarbeiten, konsequent und gemeinsam zu koordinieren und zu vollziehen. Länderübergreifend vergleichbare Bilanzen wie zum Beispiel zu Bodenverbrauch, Baulandverbrauch sind zu erstellen und der Fortbestand von Biotopverbundsystemen ist zu sichern. Der Gesamtüberblick ist in einem jährlichen österreichischen Bericht zu veröffentlichen.
Auf Bundesebene sind die Planungsziele zu den Themen Energie, hochrangige Straße und Schiene, Stromleitungen etc. transparent zu entwickeln, damit Konflikte nicht erst auf Projektebene erkannt werden und dort oft unlösbar bleiben.
Auf Landesebene gilt es, die besten landwirtschaftlichen Böden auf Dauer zu sichern und durch Vorrangzonen und Siedlungsgrenzen vom Umwidmungsdruck zu entlasten.
Die Gemeinden sind in ihrer bedeutsamen Rolle in der Raumordnung fachlich zu stärken, besonders auch durch Stärkung des Bewusstseins der Bevölkerung für diese zentrale Zukunftsfrage. Die Schaffung gemeindeübergreifender Planungsverbände durch die Länder sollte einen Qualitätssprung in der Raumplanung ermöglichen. Es gilt auch, klare Grenzen (z. B. Siedlungsgrenzen, alpine Erschließungen) durch alle Bundesländer als Landesvorgaben festzulegen, außerhalb derer die Gemeinden kein Bauland widmen dürfen (siehe z. B. Siedlungsgrenzen im Wienerwald, NÖ).
In Rahmen aller dieser Aufgaben sind Instrumente wie die „Strategische Umweltprüfung“ zu stärken und Koordinationsstellen wie die ÖROK weiterzuentwickeln. Dadurch wird schon auf der Planungsebene auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit geachtet.