Am 21.10.2020 hat Bundesministerin Leonore Gewessler den Start des im Regierungsprogramm vorgesehenen Biodiversitätsfonds angekündigt und erste Schritte vorgestellt. „Es ist erfreulich, dass die Regierung den rasanten Rückgang der Vielfalt an Arten und Lebensräumen als Handlungsauftrag begreift und nun Gegenmaßnahmen setzen wird. Ein Ausbau der Bereiche Forschung und Bewusstseinsbildung ist ein richtiger erster Schritt. Diesem müssen jedoch parallel konkrete Erhaltungsmaßnahmen folgen, etwa die Wiederherstellung artenreicher Habitate wie Trockenrasen, Moore oder Auwälder, Schutzprojekte für gefährdete Arten wie den Brachvogel, den Eremit (ein gefährdeter Totholzkäfer) oder den Donaukammmolch. Wichtig ist auch die Erweiterung bestehender Nationalparks und Wildnisgebiete. Fakt ist: Der ungebremste Biodiversitätsverlust stellt weltweit ein existenzielles Umweltproblem dar,  wie nicht zuletzt der am Montag veröffentlichte State of nature-Bericht der EU-Umweltagentur bestätigt hat“, sagt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes. „Aufgrund des desaströsen Abschneidens Österreichs im internationalen Vergleich fordern wir eine eigene Evaluierung und künftig eine laufende Erfolgskontrolle.“

Biodiversitätsstrategie 2030 – sektorenübergreifend zum Erfolg
Nach den verfehlten Biodiversitätszielen 2020 steht derzeit ein aktueller Entwurf für eine neue zehnjährige Strategie an. „Der Umweltdachverband hat zum ersten Entwurf der Biodiversitätsstrategie 2030 Stellung bezogen und zahlreiche praxisgerechte Anpassungen vorgeschlagen. Um nicht abermals ambitionierte Ziele ohne realistische Chance auf Umsetzung zu verabschieden, appellieren wir eindringlich, die Biodiversitätsstrategie 2030 von Beginn an unbedingt sektorenübergreifend auf- und umzusetzen. Denn wir werden dem Biodiversitätsverlust nur dann Einhalt gebieten, wenn alle Wirtschaftssektoren Verantwortung für unser Naturerbe übernehmen. Insbesondere die Land- und Forstwirtschaft sowie die Energiewirtschaft sind hier in Zukunft in weit stärkerem Ausmaß gefordert“, so Maier.

Ausbau der Erneuerbaren darf nicht neuer Treiber für Biodiversitätsverlust werden
„Aktuell muss im sich derzeit in Begutachtung befindlichen Entwurf des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) deutlich nachgebessert werden, um die von der Bundesregierung versprochene Naturverträglichkeit sicherzustellen. Der Ausbau der Erneuerbaren darf nicht durch falsche Förderanreize zum zusätzlichen Treiber für Naturzerstörung und Artensterben werden. Der Umweltdachverband wird zum Ende der Begutachtungsfrist Vorschläge für eine Ökologisierung des EAG vorlegen“, kündigt Maier an.

GAP-Deal: Das Artensterben geht auf Europaebene weiter
Die Verhandlungen über die milliardenschwere Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) unter den EU-Agrarminister*innen und im Europäischen Parlament mündeten heute Nacht in einem schweren Rückschlag für Umwelt und Natur. „Das ist ein dunkler Tag für die Umwelt und die Zukunft Europas. Trotz des „European Green Deals“, der Biodiversitäts- und der „Farm-to-Fork“-Strategie der EU werden bei der Verteilung von knapp 400 Milliarden Euro Agrarhilfen der Umwelt- und Biodiversitätsschutz weitgehend ignoriert. Dabei ist die intensive Landwirtschaft in Europa größter Treiber für den zunehmenden Biodiversitätsverlust, wie aus dem am Montag veröffentlichten Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA klar hervorgeht. Die getroffenen GAP-Beschlüsse, die auf österreichischer Seite von ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS unterstützt wurden, sind eine klare Absage an die zentrale Forderung von Umweltorganisationen nach einem europaweit gültigen ökologischen Mindeststandard für wenigstens 5 Prozent der bewirtschafteten Flächen als Konditionalität bei den Direktzahlungen. Allein dieses Mindestmaß an Naturschutzflächen, etwa in Form von Blühflächen auf Ackerböden und bunten Wiesen, hätte die europäische Kulturlandschaft teilweise wieder zum Erblühen bringen können und eine wichtige Chance für die Artenvielfalt und unsere Lebensgrundlagen bedeutet“, sagt Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes. Zugleich wundert sich Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich: „Fehlende Umwelt-Rahmenbedingungen bei den Direktzahlungen der Ersten Säule für die ganze EU sind ein klarer Wettbewerbsnachteil für Österreich mit seinem traditionell starken Agrarumweltprogramm in der Zweiten Säule der GAP. Warum die gestrigen Abstimmungen nun von manchen als Erfolg für Österreich und für die Natur gefeiert werden, ist nicht nachvollziehbar.“

Nationale Bemühungen dringend erforderlich
„Umso stärker liegt die Verantwortung nun bei den Nationalstaaten, mit ambitionierten Umweltprogrammen den Wandel zu einer ökologischen und biodiversitätsschonenden Landwirtschaft voranzutreiben, um insgesamt mindestens 10 Prozent der Flächen für die Natur bereitzustellen. Auch Österreich muss sein nationales GAP-Förderprogramm stärker an den Erfordernissen des Biodiversitäts- und Klimaschutzes ausrichten!“ so Pfiffinger abschließend.

Foto: Stefan Nohel