Historische Freiräume – Parks, Gärten, Innenhöfe, Plätze, manches Vorfeld vor einem wichtigen Gebäude, uralte Saumpfade, wesentliche Sichtbeziehungen, eine schützenswerte Umgebung – sind lebendige Zeugnisse vergangener kultureller Epochen, repräsentieren ein künstlerisches Erbe oder ein geschichtliches Ereignis. Die Österreichische Gesellschaft für historische Gärten (öghg) sieht den dringenden Bedarf für einen besseren Schutz historischer Freiräume. In einer Stellungnahme richtet die öghg einen Apell an Entscheidungsträger*innen.
Österreich ist das letzte Land in Europa, in dem historische Freiräume wie Gärten und Parkanlagen nicht automatisch in den Aufgabenbereich des Denkmalschutzes fallen. Stattdessen gibt es ein als Verfassungsbestimmung fixiertes geschlossene Verzeichnis von nur 56 (!) grundsätzlich schützbaren Anlagen in Österreich, was gegenüber den tatsächlich existierenden, mindestens 1700 historischen Anlagen einer winzigen Zahl entspricht und welches das kulturelle Erbe zudem nur bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts gelten lässt. Andere denkmalwürdige historische Freiräume Österreichs wurden damit zu „vogelfreien“ Objekten, die der Willkür ausgeliefert sind.
Dieses „versteinerte“ Verzeichnis stellt den Denkmalschutzgedanken grundsätzlich in Frage, indem es keine Aufnahme weiterer, gegebenenfalls jüngerer Anlagen vorsieht, obwohl die Zeit nicht stillsteht, Stile wechseln, das Klima sich katastrophal wandelt, kulturelle Zugänge sich ändern und naturgemäß auch neue denkmalwürdige Freiräume entstehen. Wertvolle Anlagen werden parzelliert und verbaut, andere „leben“ von der Substanz, werden so lange vereinfacht oder zu wenig gepflegt, bis sie ihre Aussagekraft verlieren. Damit gehen Ausdrucksformen und Merkmale bestimmter Epochen verloren, von denen es nur noch wenige oder keine weiteren Zeugen mehr gibt. Historische Freiräume sind Individuen. Um mit ihnen umgehen zu können, braucht es Kriterien und Zielstellungen, die als „Pflegewerke“ für jedes Objekt individuell zu erarbeiten sind. Nur wer die Merkmale kennt, kann diese schützen. Es fehlt deren Erforschung und die Erarbeitung von Handlungsanleitungen, wie damit umzugehen ist, wird dringend benötigt.
Der Klimawandel zeigt es: Historische Freiräume spielen eine bedeutende Rolle als Areale, die dem Klimaschutz dienen, zugleich zeigt sich ihre Vegetation als vulnerabel und teils stark betroffen vom Klimawandel. Es braucht Pflegewerke, die beschreiben, was zu geschehen hat und zu welchem Zeitpunkt. Vorhandene Pflegewerke brauchen eine Revision und Anpassung an den Klimawandel wie auch zur Erhaltung der Biodiversität.
Die öghg appelliert an die Abgeordneten des Nationalrats und die zuständigen Ministerien:
Sorgen Sie für
die zeitgemäße Verbesserung des Schutzstatus historischer Freiräume und der Kulturlandschaft durch eine Novellierung des in diesem Bereich unzureichenden Denkmalschutzgesetzes durch Gleichstellung mit den anderen Denkmalschutzgattungen;
die Respektierung des Schutzstatus historischer Freiräume, wo er gegeben ist;
die Erhöhung der Budgets auf allen Ebenen für das gesamte unterversorgte Freiraum-Erbe Österreichs; Finanzierung der Erstellung bzw. Aktualisierung von Pflegewerken, Sicherstellung der Beauftragung darin kompetenter Fachkräfte und interdisziplinärer Teams;
eine Bildungsinitiative zur Erforschung historischer Freiräume mit Forschungsgeldern, Personal und Unterstützung bestehender Initiativen (z.B. dem Archiv der Landschaftsarchitektur).
Beitragsbild: © Christian Hlavac