Standortentwicklungsgesetz ist und bleibt ein Skandal!

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Stellungnahme des Umweltdachverbands:

  • Gesetzesentwurf ist in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig
  • Errungenschaften des Aarhus-Beteiligungsgesetzes 2018 werden völlig konterkariert
  • Umweltdachverband an morgigen Wirtschaftsausschuss: Gesetz muss zurück an den Start!

Wien, 6.12.18 (UWD) Die intensive Prüfung des neuen Standortentwicklungsgesetzes hat nun weitere Rechtswidrigkeiten zu Tage befördert, wie der Umweltdachverband in seiner Stellungnahme darlegt: Auch der 2. Entwurf des umstrittenen Gesetzes ist in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. So ist die statt dem ursprünglich geplanten Genehmigungsautomatismus nunmehr vorgesehene „Genehmigungspflicht“ juristisch derartig eng ausgestaltet, dass eine Nicht-Genehmigung in der Praxis so gut wie nie schlagend werden wird, sofern sich die Behörde keiner Amtshaftung aussetzen will. Damit ist von einer Quasi-Genehmigungsgarantie auszugehen. „Die in der UVP-Richtlinie der EU festgelegte Pflicht zur Prüfung der Umweltauswirkungen ist damit nicht mehr sichergestellt. Darüber hinaus sind bei Umsetzung des Standortentwicklungsgesetzes Verstöße gegen weitere umweltrelevante EU-Rechtsvorgaben, wie Wasserrahmen- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, zu erwarten, wenn der Zeitablauf das schlagende Argument für die Ausstellung der Genehmigung ist, ohne dass das Ermittlungsverfahren inhaltlich abgeschlossen sein müsste. Weiters ist eine Verletzung der Aarhus-Konvention offensichtlich, da für den Prozess der Auswahl der standortrelevanten Vorhaben überhaupt keine Öffentlichkeitsbeteiligung und kein Rechtsschutz vorgesehen sind. Auch die diversesten Einschränkungen der Partizipation im Genehmigungsverfahren sind massiv. Die Errungenschaften des Aarhus-Beteiligungsgesetzes 2018 werden damit völlig konterkariert, Rechtsunsicherheit und jahrelange Verzögerungen werden die Folge sein“, sagt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes.

Großprojekte bekommen Genehmigungsgarantie

Als oberster Primat eines Standortentwicklungsgesetzes gilt die Verfahrensbeschleunigung. Der Umweltdachverband hat sich immer dafür ausgesprochen, dass gegen verfahrensbeschleunigende Deregulierungsmaßnahmen nichts einzuwenden ist, wenn damit keine Einschnitte in Umwelt- und/ oder Rechtsschutzstandards einhergehen. Doch auch mit dem überarbeiteten Entwurf für ein Standortentwicklungsgesetz finden genau diese Einschnitte weiterhin in massiver Art und Weise statt: Verfahren strategischer Großprojekte sollen mit einer Quasi-Genehmigungsgarantie versehen werden! Mit dem Ausbau der Säumnisbeschwerde als Standardinstrument werden die Behörden zusätzlich unter Druck gesetzt, das Bundesverwaltungsgericht im Gegenzug mit Aufgaben überfrachtet, die von den Kernaufgaben des Gerichts, nämlich der Rechtskontrolle, weit wegführen. Zusätzlich wird zivilgesellschaftliches Engagement in ein starres Korsett gepresst und mit der Keule der Verfahrenskostenüberwälzung bedroht. Im Endeffekt sollen damit gewisse, von Wirtschaftslobbys als strategisch erachtete Projekte aus dem normalen UVP-Regime herausgenommen und in einem Schnellverfahren „durchgeboxt“ werden. Die Errungenschaften des Rechtsstaates werden dafür mehr als überstrapaziert. „Zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit sowie der EU-rechtlich vorgeschriebenen Umwelt- und Beteiligungsstandards fordert der Umweltdachverband vom morgigen Wirtschaftsausschuss eine Zurückstellung des vorliegenden rechtswidrigen Entwurfes“, so Maier abschließend.

 

Die ÖGLA unterstützt als Mitgliedsverband des Umweltdachverbandes dessen inhaltliche Kritik am geplanten Standortentwicklungsgesetz. Darüber hinaus weist sie auf folgenden Umstand hin:

Viele Mitglieder der ÖGLA sind in unterschiedlichen Rollenbildern in Bewilligungsverfahren der Materiengesetze und des Umweltverträglichkeitsgesetzes involviert. Aus dieser Erfahrung heraus ist die wesentliche Maßnahme zur Verfahrensbeschleunigung die personelle Stärkung der zuständigen Behörden und Gerichte. Dies betrifft sowohl die VerfahrensjuristInnen als auch die amtlichen und nicht amtlichen Sachverständigen der Behörden und Gerichte. Insbesondere auf die Stärkung des Sachverständigenwesens ist hinzuweisen. Eine laufende Abstimmung zwischen amtlichen und nichtamtlichen Sachverständigen, laufende Weiterbildung und strukturelle Unterstützung des Sachverständigenwesens ist dabei eine wesentliche Säule. Die beteiligten Umweltorganisationen stellen ein wesentliches qualitätssicherndes Element im Verfahren dar. Einzelne Obstruktionsansätze lassen sich durch personell gut ausgestattete Behörden leichter bewältigen.

Wenn es daher das Ziel der Bundesregierung ist, die Verfahren zu beschleunigen, dann liegt in der personellen Ausstattung der Behörden und der Gerichte und in der Unterstützung des Sachverständigenwesens ein zentraler Ansatzpunkt. Die ÖGLA geht hier mit gutem Beispiel voran und bietet laufend Angebote zur Entwicklung des Fachbereiches und zur Weiterbildung im Rahmen der ÖGLA-Akademie an. Dabei gilt es auch den laufenden Qualitätssicherungsprozess zwischen den Universitäten und der Gutachtenspraxis zu stärken.

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